Kindermund tut Wahrheit kund…

19. Feber


Schön langsam wurden die Tage und auch die Nächte immer wärmer und die Sonne setzte sich öfters gegen die winterliche graue Wolkendecke durch, so auch an diesem Morgen. Langsam und auch zögerlich schoben sich die wärmenden Strahlen über die kleine Bergkette am Rande der Siedlung und erreichten das Schlafzimmerfenster im Hause Baragur. Auch wenn die Nacht etwas kürzer ausfiel, so lag Eoddren dennoch bereits wach im Bett und beobachtete Tirafaer, wie sie in seinem Arm, an ihn geschmiegt noch friedlich schlief. Sanft strich er ihr über die Haare und setzte einen keuschen Kuss auf ihren Haaransatz und ließ seinen Blick erneut über hinweg gleiten. Immer wieder zog er ihr die Decke wieder über die Schulter, welche in binnen kürzester Zeit erstaunlicherweise wieder bis fast zur Hüfte hinabglitt. Selten konnte er sich hierbei ein Schmunzeln verkneifen, war sie es doch immer wieder, welche ihm tadelte, dass er sich gefälligst den Temperaturen entsprechend anziehen sollte und vorallem auch ordentlich zudecken sollte und seine Decke nicht nur ein hübsches Zierwerk für das Bett darstellte. Er lag die halbe Nacht wach, beobachtete sie, spürte sie in seinem Arm, strich ihr über Rücken und Oberarm und genoss einfach die Nähe und Wärme. Doch so einfach konnte er sich dennoch nicht dem Gefühl hingeben, da seine Gedanken sich immer noch um das nächtliche Gespräch von Sonntag auf Montag mit ihr drehten und bisher wurde das Thema weder von ihm, noch von ihr erneut aufgegriffen.

Er sprang über seinen Schatten und gestand sich doch innerlich endlich ein, eine Beziehung zu führen, eine Partner wieder zu haben und sich ernsthaft darauf einzulassen. Trotz aller Widrigkeiten und der Tatsache, dass es sich bei Tira um eine Elbe handelte. An seine Heimat, seine Landsmänner oder gar seine Eltern durfte er hierbei nicht denken, denn eine Verbindung zwischen Rohirr und Elbe wurden stets von den Eorlingas mit skeptischen Blicken und Feindseligkeit begegnet.
«Ich bin nicht in der Mark, ich bin nicht in Aldburg…. ich muss ihm nicht Rede und Antwort stehen, es ist mein Leben… ich bin glücklich, wie es ist… », wiederholte er sich in jener Nacht immer und immer wieder im Geiste und versuchte dadurch auch seine eigene Entscheidung sich selbst gegenüber zu bekräftigen. Natürlich war es ihm ernst, ebenso mochte er sie, vermutlich mehr, als ihm im Moment bewusst war, doch es blieben immer Zweifel, geschürt durch die Herkunft, seiner Vergangenheit und der möglichen Zukunft.

Langsam räkelte sich Tira in seinem Arm und schlug die Augen auf, um ihm sogleich ein zartes und noch ein wenig verschlafenes Lächeln zu schenken.

«Mae aur, baneth nîn. [Guten Morgen, meine Schöne.]», erklang die ruhige und sanfte Stimme Eoddrens. Es sollte der vorerst letzte Morgen sein, an welchem sie aufwachte und bei ihm wohnte. Denn nun waren sämtliche eingeladenen Gäste aus der Halle wieder abgereist und Tira konnte ohne Sorge wieder ihr Zimmer beziehen. Auch wenn er sie in jener Nacht gefragt hatte, ob sie nicht bleiben wolle, wusste er innerlich, dass vorallem Tira noch etwas Zeit brauchte und es im Moment das Beste wäre, wenn sie tatsächlich wieder in die Übungshalle zurück zog. Es waren nur wenige Meter zwischen der Halle und Eods Haus, aber es waren mehrere Meter und eben nicht das selbe Haus, nicht die gemeinsamen vier Wände.

Erst im Laufe des Vormittags waren wieder alle Sachen von Tira gepackt und wurden bereits von Eoddren zurück zur Halle getragen. Tirafaer blieb noch einen Moment in der Stube stehen und ließ ihren Blick über die Stube schweifen, als sie an der Türe zu Lysells Zimmer eine Bewegung wahr nahm. Lysell stand etwas zurück gezogen, schüchtern und doch auch voller Neugierde in ihrer Türe und sah die Elbe fragend an. Es dauerte noch eine gefühlte Ewigkeit, ehe sie allen Mut zusammen fasste und dennoch nur ein Flüstern zu vernehmen ist, welches jedoch von Tira mit einem feinen Lächeln, ihrem freundlichen und warmherzigen Blick erwidert wird.

«Wieso gehst du jetzt wieder weg?»
«Lysell, ich gehe nicht weg. Ich werde lediglich wieder mein Zimmer, in der Halle des jungen Herrn Samuyel beziehen, in welches ich hingehöre und auch arbeiten kann.»

Das mittlerweile fünfzehn Jahre alte Mädchen nickte zwar, doch so richtig konnte oder wollte sie es nicht verstehen. Sie hatte ihren Vater all die letzten Tage und Wochen in jeder ruhigen Minute unter vier Augen, Löcher in den Bauch gefragt über Tira und Elben allgemein und auch wenn es ihr Vater nicht öffentlich zugegeben hätte, so merkte sie doch, dass er anders von der Elbe sprach, als über andere Dinge. Selbst Lysell sah ihm an, dass er sie schlicht und ergreifend mochte.

Lysells Augen wanderten auf dem Boden suchend umher, sprangen von links nach rechts, wieder hinauf zu Tiras Gesicht um dann wieder ihren Weg auf den Boden weiter zu suchen, währenddessen nervös, unsicher an ihrem Oberteil zupfend, knetend und auf der Unterlippe kauend. Sie wollte doch etwas los werden, es lag ihr auf der Zunge, aber dazu müsste sie ihre Scheu überwinden, ihre Skepsis gegenüber diesen seltsamen spitzen Ohren und die Neugierde würde die Oberhand gewinnen.

«Ich … Ich find das blöd,» platzte sie nun endgültig hervor und bevor auch nur Tira fragen oder sie beruhigen konnte, folgte auch schon die Erklärung, wenn auch mit zittriger Stimme und nach wie vor einem gehörigem Respekt, selbst ihre Position behielt sie und hatte das Türblatt schützend sehr nahe bei sich, « … weil der Papa … der will nämlich gar nicht, dass du gehst … der mag dich nämlich … das hab ich zufällig gehört, wie er das gesagt hat, zu Farados … »

Doch dann verließ sie endgültig der Mut, schnell wird ein Schritt in ihr Zimmer zurückgewichen, das Türblatt sogar ergriffen und die Türe zu ihrem Zimmer nur noch einen Spaltbreit offen gehalten, und hinaus gelinst um die Reaktion der Elbe sehen zu können. Jene Elbe jedoch, wirkte auf Grund von Lysells Worten immer noch überrumpelt, überfordert, vor den Kopf gestoßen und doch auch irgendwie glücklich darüber. Auch wenn es einfache Worte waren, sagte er sie, wenn auch sein Pferd nicht als adäquater Gesprächspartner erschien, war es ein Schritt in eine Richtung, eine gemeinsame Richtung.