Torschusspanik

2. September


Langsamen Schrittes nähert sich eine, in einen Umhang gehüllte Gestalt, dem vermeintlichen Fundort, neben ihr eine Stadtwache, welche eine Fackel in der Hand trägt um so etwas Licht jener Nacht zu schenken, welche nur noch schwach vom abnehmenden Mond beleuchtet wird. Zögerlich, fast schon zitternd, zeigt der Wachmann auf die hoffentlich schlafende Person, angelehnt an den Überresten der einstigen Dunédain Festungsmauer in Bree.

 

Es war laut im Gasthaus, trotz der immer weniger werdenden Gäste zu der nächtlichen Stunde, war der Schankraum von einem Grundpegel an Lärm gefüllt. Barden, die ihr Leid klagten, Geschichtenerzähler die mit ihren letzten Eroberungen prahlten und einige Gäste, welche sich angeregt an den Tischen unterhielten. Und dann waren da noch zwei Wachen, die sich ihr ersehntes Feierabendbier genehmigten und über die Ereignisse des letzten Rundgangs erzählten. Das war jener Moment, an dem sich der Kopf eines unbeobachteten Zuhörers hob und dem Gespräch der Wachen aufmerksamer folgte. Eingehüllt in seinen Umhang, eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, funkelten die wachsamen Augen unter den Rand jener hervor, lauschend.

«Ein großer, breitschultriger, blonder und betrunkener Pferdemensch … hatte schon mich und Ralf wieder weggeschickt, als wir ihn aufstellen wollten. Faselte etwas von wegen, dass wir ihn am Besten aus den Augen gehen sollten, er sich sonst vergisst … Aber ich sage dir Malte… Pahahaha… der konnte noch nicht einmal sein Schwert mehr richtig halten… vor dem hab ich keine Angst… Er mag zwar groß sein, aber der konnte noch nicht einmal mehr richtig aufrecht stehen… Soll sich lieber weiter mit der seltsamen Kette spielen… ohnehin auch nur ein Pferd… was diese Rohirrim nur mit ihren Pferden haben…. Ich wette er wäre nicht mal mehr auf das hoch gekommen… »

Plötzlich erhob sich die vermummte Gestalt, neben dem Tisch der Wachen, selbst eine riesige Gestalt im Vergleich zu den durchschnittlich kleiner gewachsenen Breeländern und lachte heiser vor sich hin, während sein Krug zwischen die Soldaten abgestellt wird und jene ihn ohnehin nur mit einem unverständlichem Blinzeln anstarrten.

«Ein Rohirr, kommt immer auf sein Pferd… und wenn es dieser ist, den ich meine, dann solltet ihr seine Warnung ernst nehmen… Zeigt mir, wo ihr ihn gefunden habt und eure heutige Rechnung soll auf mich gehen.»

 

Der Fremde neigt den Kopf gegenüber der Wache und schickt diese dann auch schon weiter seiner Wege. Etwas mitleidig sieht die Gestalt auf das Wappen des einstigen Königreichs Arnor und auf die deutlich unruhig schlafende Gestalt an der Mauer. Langsam nähert er sich dieser und kickt mit der Innenkante seines Stiefels grob gegen die Füße des Schlafenden.

«Dein Ruf eilt dir voraus mein Bester! Aber _das_ hier, das hatte ich nicht erwartet»

Eoddren zuckt zusammen, als ihn der Stiefeltritt trifft und mit einem deutlich unglücklichen Brummen, hebt er den Kopf um den Verursacher ausfindig zu machen, mit einer Miene, die einigen das Blut in den Adern gefrieren lassen würde, die Augen überdeutlich gerötet und offensichtlich nicht nur durch den Alkohol.

«Und du bist? Wenn _ich_ schon dein Bester bin? Mach das du weiter kommst und kümmere dich um deine Angelegenheiten… oder muss ich dir erst verdeutlichen _was_ ich meine?»

«Wer ich genau bin, tut nichts zur Sache, du merkst es dir ohnehin nicht bis morgen. Aber sieh mich als einen Freund…. einen …. Blutsbruder …. Mir kam zu Ohren, dass du endlich deinen Brief nach Rohan los senden willst und dich hier in Selbstmitleid badest… und wie ich sehen muss, hatten meine Augen und Ohren leider Recht… Möchtest du mir vielleicht verraten, was das soll? Du hast dich entschieden, diesen Weg zu gehen, ohne ihr, aus Angst oder vielleicht weil du gespürt hast, dass es nicht so sein soll für dich. Sieh mich nicht so erstaunt an, ja, ich weiß darüber Bescheid und noch über so manch Anderes. Du solltest im Übrigen, nicht unbedingt an unseren Wachposten, jeden mitnehmen, wenn diejenige nichts darüber weiß.»

«Aber…. Wer bist… Woher….»

«Sei still und hör mir zu! Deine Schwester und du haben sich vor langer Zeit dazu entschlossen ihre Herkunft anzunehmen und uns zu unterstützen, wir können jedoch nicht auf dich zählen, wenn du die Möglichkeiten nicht wahr nimmst. Und nun gib mir diesen Brief, er wird noch heute von einem Boten auf die Reise geschickt. Nimm dir jetzt die Zeit um dich zu sammeln und sieh zu, dass du wieder auf deinen Pfad kommst. Eoddren Baragur, Sohn des Endodren, wir brauchen dich, sei es hier, in Annuminas oder in Rohan, aber verdammt noch einmal, nicht so. Alandurien soll nicht umsonst dich wieder zurück geholt haben, nachdem du Sereks Klinge zu Spüren bekommen hast und auch Eads Aufopferung darf nicht umsonst gewesen sein. Denk immer daran.»

Er zieht unter seinem Umhang noch eine Umhangfibel hervor, in Form des typischen arnorischen Sterns und wirft diese Eoddren in den Schoß, ehe er sich auch schon wieder umdreht und seiner Wege gehen will, einen verwirrten Eorlingas zurück lassend, welcher sich nicht wirklich sicher ist, ob er nun träumt oder das alles tatsächlich passiert.

«Achja… im Pony betrinken sich gerade zwei Wachen… begleich deren Rechnung und… um Erus Willen, lass Reonweard und Faegryn nicht mehr länger im Ungewissen über deren Stammbaum.»

 

Eoddren sieht der entschwindenden Gestalt noch hinterher, eine Fülle von Fragen sich im vernebelten Kopf gerade zusammen brauend, doch zu langsam um diese auch nur noch im Ansatz stellen zu können, ehe die Gestalt gänzlich verschwunden ist. Genauso still und heimlich, wie sie gekommen war. Mit zitternder Hand greift er zu der Fibel und betrachtet das Zeichen der Dunédain lang und ausgiebig. Als er die Hand schließt, bohrt sich die Nadel der Fibel leicht in die Handfläche, doch ungehindert dessen, lehnt er sich wieder an der Mauer hinter sich an und kneift leicht die Augen zusammen, wieder diese übermannende Welle in sich spürend. Er mochte sich selbst in diesen Momenten nicht sonderlich, wenn er nicht mehr Herr seiner eigenen Emotionen war, doch gerade hier und an diesem Abend, brauchte er dies wohl in seiner Form.